Thüringer Denkmalpreis 2008
Bisher fast 11 Jahre Restaurierungsarbeit auf Todenwarth wurden in diesem Jahr
durch das Thüringer Kultusministerium mit dem Thüringer Denkmalpreis gewürdigt.
Freitag, 13. Juni in der Erfurter Thomaskirche
Die Wölffe von Todenwarth
Wenn heute in der Erfurter Thomaskirche die Thüringer Denkmalschutzpreise 2008 überreicht werden, dann ließe sich zu jedem geehrten Objekt zugleich locker mindestens ein Denkmal aufrufen, dessen Existenz auf dem Spiel steht. Freud und Leid der Denkmalpflege in Thüringen liegen in diesen Tagen aber nirgendwo so dicht beieinander, wie im westthüringischen Wernshausen und der sich darüber erhebenden Todenwarth.
THÜRINGEN. Ein im Jahr 2000 erschienener Burgenführer teilt zu der zwischen Eisenach und Meiningen direkt an der B 19 gelegenen einstigen Warte mit, dass deren Gebäude leer stehen und zum Teil ruinös sind. Seit 500 Jahren in Besitz der „Wölffe von und zur Todenwarth“ erlebte die Warte mit dem beginnenden 20. Jahrhundert ein wirtschaftliches Auf und Ab. Nach dem Zweiten Weltkrieg als Umsiedler-Quartier genutzt – zeitweise wohnten hier 60 Menschen – verfiel die ganze Anlage zusehends. Zwar hat der vorletzte Eigentümer zwischen 1987 und 1993 begonnen, den Verfall durch erste Sicherungsmaßnahmen aufzuhalten. Doch die Mammutarbeit blieb denen, die seit 1997 im Grundbuch als Eigentümer stehen und einen der diesjährigen Denkmalpreise erhalten: Dr. Jochen Halbig und Familie.
Wer Todenwarth heute passiert (Foto), nimmt ein ausgesprochen schmuckes Anwesen war, das sogar zum „Schloss“ avancierte. Den ruinösen Zustand des einstigen Familienbesitzes hat Jochen Halbig, ein bis 1989 in Halle/Saale und danach in Nürnberg lebender Nachkomme der adligen „Wölffe von und zur Todenwarth“, mit eigenen Augen zum ersten Mal vor 20 Jahren gesehen. Obgleich der heute 68-Jährige sein Berufsleben lang als Zahnarzt praktiziert, muss in ihm bei dieser Gelegenheit das Herz des Architekten, der er einmal werden wollte, und das des leidenschaftlichen Sammlers baulicher Spolien geschlagen haben. Für die Thüringer Denkmallandschaft war dies ein Glücksfall, für Familie Halbig der Beginn einer noch nicht abgeschlossenen spannenden und aufwändigen Zeit von vielfältigen historischen Nachforschungen einerseits sowie ungezählter Stunden eigener Hände Arbeit andererseits.
Wenn zu den alljährlichen Denkmaltagen inzwischen bis zu 600 Besucher durch die Pforte mit dem gusseisernen Wolf obenauf gehen, um das einem barocken Landhaus ähnelnde Schloss zu bestaunen, zu bewundern und ein wenig sehnsuchtsvoll wieder zu verlassen, dann entschädigt das die Hal-bigs für so manche Stunde, die dem Zweifel gehörte, ob die Entscheidung richtig gewesen ist, sich Todenwarth zum Alterssitz mit dezent-geschmackvoll öffentlicher Nutzung herzurichten. Wenn der engagierte Denkmaleigentümer Halbig an Wochenenden von Franken nach Thüringen rollt, dann begrüßen ihn an der „Zwick“ genannten Kreuzung der B 19 in Wernshausen zwei von einer Säulenarkade gerahmte liegende Schafe aus Sandstein. Sie signalisieren ihm, gleich auf der Todenwarth angekommen zu sein. Doch in das Willkommensgefühl mischt sich seit ein paar Monaten eines, das Ärger und Wut speisen. Große Teile der „Kammgarnspinnerei an der Werra“, von der erhaben aufgeputzte Buchstaben über der von den Schafen behüteten, villenartigen Eingangsloggia künden, sollen auf Antrag der Gemeinde mit mehreren Millionen staatlicher Fördergelder „revitalisiert“, sprich abgerissen werden und die freigewordene Fläche für gleichfalls nicht wenig Geld als Gewerbegebiet erschlossen werden. Der noch im Besitz eines niedersächsischen Spinnerei-Unternehmens befindliche Gebäudekomplex ist im ersten Drittel des vorigen Jahrhunderts entstanden und für Wernshausen das prägnante Eingangstor. Maßgeblicher Architekt des Ganzen war Hofbaurat Karl Behlert, der u. a. auch das Meininger Theater und das Rathaus von Breitungen entworfen hat. Doch seit der Eigentümer vor zwei Jahren die hiesige Produktion ins Ausland verlagerte, sind die vier seit 2001 unter Denkmalschutz stehenden Gebäude des Komplexes – in welchem einst bis zu 1600 Menschen aus 36 umliegenden Ortschaften Arbeit fanden – ungenutzt. Es passierte, was in solchem Falle leider schon Alltag ist, dass nämlich Vandalismus und Diebstahl leichtes Spiel bekamen. Details der qualitätsvollen bauzeitlichen Ausstattung, vor allem des Verwaltungsgebäudes – darunter bleiverglaste farbige Schmuckfenster, Treppengeländer und Wandpaneele im Festsaal -, sind schon verschwunden. Das Landesamt für Denkmalpflege erfuhr vom geplanten Abriss durch Zufall. Eine Begehung vor Ort mit Fachleuten und Projekt-entwicklern endete mit der Feststellung der Fachbehörde, dass „wegen kontinuierlich unterlassenem Bauunterhalt“ zwar die Sanierungs- und Sicherungsaufwendungen beträchtlich geworden seien, doch „weder der aktuelle Bauzustand noch der Leerstand der historischen Gebäude einen Abbruch rechtfertigen!“. Die zuständige Untere Denkmalschutzbehörde Schmalkalden-Meiningen verwehrte dementsprechend den Abriss, deren Vorgesetzter, Landrat Ralf Luther, hob, ohne das Landesamt in Erfurt anzuhören, die Entscheidung nach Abwägung verschiedener Interessen auf und erteilte die Genehmigung zum Abriss.
Das ist unrechtmäßig, sagt Landeskonservator Stefan Winghart gegenüber dieser Zeitung. Er bat den Landrat per Brief vom 10. März 2008 „dringend um Klärung“. Bliebe diese aus, müsste er sich „nötigenfalls an die Obere Denkmalschutzbehörde im Thüringer Landesverwaltungsamt“ wenden. Wingharts Brief blieb bis heute unbeantwortet, so dass er nun das Amt in Weimar offiziell einschalten wird. Alle baulichen Veränderungen und andere Maßnahmen an einem Kulturdenkmal, so steht es im Thüringer Denkmalschutzgesetz, bedürfen einer Erlaubnis, über welche die zuständige Untere Denkmalbehörde im Einvernehmen mit dem Thüringischen Landesamt für Denkmalpflege entscheidet.
Wo also liegt das Problem? Das dürften sich wohl nicht nur die Gäste der Verleihung der Denkmalpreise verwundert fragen.
12.06.2008 Von Heinz STADE
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