aus der Südthüringer Zeitung, Bilder und Text von Annett Recknagel
Zu ihrem zweiten literarischen Salon hatte die Dichterin Arnoldine Wolf den als „Verlobungsweltmeister“ bekannten Autor Jean Paul eingeladen. Leider war er verhindert und schickte seine Ehefrau Karoline Mayer.


Fambach/Todenwarth Welch ein Trauma für Karoline Mayer! In Heidelberg sollte ihrem Mann, dem berühmten Dichter Jean Paul, die Ehrendoktorwürde verliehen werden. An sich etwas ganz Besonderes. Weitaus unerfreulicher für seine Ehefrau war die Tatsache, dass er dort Sophie Paulus kennenlernte. Sie war 28 Jahre jünger als Jean Paul und himmelte ihn an. Jean Paul himmelte zurück. Und küsste sie. Doch noch mehr: Er besaß doch tatsächlich die Dreistigkeit, seiner Karoline davon in einem Brief zu schreiben. Mit dem Zusatz: „Ich fühle weiter die eheliche Liebe!“
Er war eben ein Filou und ein Dichter. Beide Seiten lernten die Besucher des zweiten literarischen Salon kennen. Arnoldine Wolf, die einst in der Todenwarthschen Kemenate in Schmalkalden ihre Salons veranstaltete, traf 1801 bei einer Mittagsgesellschaft in Kassel erstmals auf Jean Paul. „Madame, ich habe zuweilen einen prophetischen Sinn. Sind Sie Dichterin?“, hatte er sie gefragt. Es war ein Treffer.
Arnoldine Wolf war sofort die Röte ins Gesicht gestiegen. Ja – Jean Paul konnte die Damen verlegen machen. „Natürlich war auch ich in ihn verliebt“, bekannte Marie Henriette, Arnoldines Tochter. Beide Damen hätten auf Schloss Todenwarth, wo der Salon diesmal stattfand, zu gern neben dem Dichter gesessen. Der aber war leider nicht abkömmlich und schickte seine Frau Karoline Mayer.
Stadtführerin Bertl Werner war in Mayers Rolle geschlüpft. Auch sie hat ein Faible für den bekannten Dichter, der sich mit seinen Werken zwischen Klassik und Romantik einordnen lässt und die Frauen geliebt hat. Arnoldine Wolf wurde von Gudrun Hammel gespielt und Susanne Ehrhardt gab deren Tochter Marie Henriette.
Der Verein für Hessische Geschichte und Landeskunde hatte den Salon möglich gemacht. Das Trio hatte recherchiert und brachte dem Publikum den Dichter als Mensch und Autor nahe. Einfühlsam, empathisch lesen sich seine Zeilen. Erziehungsratgeber, Romane, philosophische Abhandlungen hat er ausreichend verfasst. Zudem beschäftigte er sich mit der deutschen Grammatik, Doppelwörter ließen ihm keine Ruhe. Unzählige Wortschöpfungen gehen auf ihn zurück.
Dazu schrieb er jede Menge Briefe. Natürlich an Frauen. Oft korrespondierte er gleich mit mehreren Damen am Tag. Die Frauenherzen flogen ihm zu. Vermutlich habe das daran gelegen, dass er sich ob seiner Empathie so gut in die weibliche Psyche hinein versetzen konnte. Schon in seiner Jugendzeit las Jean Paul alles, was ihm in die Finger geriet. Die Quintessenzen notierte er. So kamen 40.000 Seiten zusammen. Und daraus zog er auch Ideen für seine Romane. Das Publikum hörte von „Titan“, „Abelard und Heloise“ und lernte „Die unsichtbare Loge“ kennen. Auch „Die wunderbare Gesellschaft in der Neujahrsnacht“ kam zur Sprache, ebenso das Heftchen „Über das Immergrün unserer Gefühle“.
Und er hatte große Gefühle – zu ziemlich vielen Frauen. Meist waren es adlige Damen. Er selbst stammte aus ärmlichen Verhältnissen. „Er war eben ein Frauenversteher“, ließ Bertl Werner die Karoline Mayer sagen. Und weiter: „Man bildet sich ja ein, man ist die einzige.“ Fehlanzeige. Charlotte von Kalb hätte ihn schon gern für sich gehabt. Aber: „Sie ist ein Weib wie keines – mit einem Felsen Ich“, schrieb er aus Weimar an einen seiner Freunde. Nach dem zweiten Besuch allerdings wurde es ihm zu gefährlich. „Ich habe alles sanft wieder aufgelöst.“
Das, so Karoline Mayer, sei seine Spezialität gewesen. Schließlich ist Jean Paul als Verlobungsweltmeister bekannt. Fünf Mal war er verlobt, bevor er Karoline Mayer zur Ehefrau nahm. Karoline von Feuchtersleben erging es nicht besser als Emilie von Berlepsch. Beide Damen passten nicht zu Jean Pauls Träumen. Auch Renate Wirth war in ihn verliebt, er aber nicht in sie. Von Karoline von Flotow dagegen schwärmte er, sie aber nicht von ihm. Mit Juliane von Krüdener traf er sich, als er bereits verheiratet war. „Sie kam wie ein Traum, sie floh wie ein Traum – ich lebe noch immer in einem Traum“, schrieb er später. Gefährlich für seine Ehefrau sei auch Henriette von Schlabrendorff gewesen.
Ein sehr enges Verhältnis hatte Jean Paul zu Anna Dorothea Rollwenzel – das war die Wirtin der Rollwenzelei in Bayreuth. Dort mietete Jean Paul ein Zimmer, um ungestört arbeiten zu können. Die Wirtin habe ihn bekocht und immer mit guten Bayreuther Bier versorgt. Jean Paul trank Bier vor, während und nach dem Dichten. Er liebte bitteres, braunes Bier. Und egal, wo er wohnte, einer seiner Freunde schickte ihm sein geliebtes Bayreuther Bier an alle Adressen fassweise nach. Ach ja – ohne seinen Hund verließ der Dichter das Haus nie. Und für seinen Wetterfrosch legte er eigens eine Fliegenzüchtung an. Jean Paulsche Aphorismen und Redewendungen garnierten den Salonabend. Das Publikum war entzückt, ließ sich Tee schmecken. Wer wollte, konnte sogar Bier aus Bayreuth probieren.















